Königliches Lehrerseminar

Koordinaten: 55.719612 21.134343

Objektadresse: S. Neries Straße 5, Klaipeda, Litauen

Gemeinde: Klaipėda

Das rote Backsteingebäude des Königlichen Lehrerseminars, heute Fakultät für Sozial- und Geisteswissenschaften der Universität Klaipėda, wurde im Jahr 1908 erbaut. Es wurde an der damals repräsentativen Bahnhofsstraße errichtet, die mit dem schon seit fast drei Jahrzehnten stehenden gelben Backstein-Bahnhofsgebäude endete. Für den Bau des Lehrerseminars wurde ein 2,6 ha großes Grundstück zur Verfügung gestellt, die Fläche des Gebäudes selbst betrug 7070,91 m². In einem Teil des Komplexes wurden Wohnungen für den Direktor und die Lehrkräfte untergebracht, es wurde ein Gemüse- und ein Obstgarten angelegt und ein Sportplatz eingerichtet. An den Fassaden des aus vier Gebäuden bestehenden Komplexes ist der Einfluss der Neogotik erkennbar, weshalb einige Elemente an eine Ordensburg erinnern. Das wuchtige Lehrgebäude mit einer beeindruckenden Aula ist dreistöckig und von außen mit massiven neogotischen Giebeln verziert. Die Aula befindet sich im dritten Stockwerk, sie hatte Buntglasfenster und war mit einer Orgel ausgestattet. Dort hing ein Portrait des Königs. Heute schmückt das Buntglas die Fenster der Aula wieder, aber diese Fenster sind neu. Die Treppenhäuser des Seminargebäudes weisen Jugendstilelemente auf. Bei den Renovierungsarbeiten 2021 bemühte man sich, diese zu erhalten. Das drei- und das zweistöckige Gebäude des Komplexes wurden als Wohngebäude errichtet. In einem davon befanden sich Wohnungen für die Lehrkräfte, im anderen das Wohnheim für Seminaristen. Im Wirtschaftsgebäude waren unter anderem die Mensa, die Küche, ein Sportsaal und die Bibliothek untergebracht. Am Anfang des 20. Jh.s war es das modernste Lehrerseminar in ganz Preußen, besetzt mit hochqualifizierten Lehrkräften. Von der Bestimmung des Gebäudes zeugt auch die Aufschrift „Königliches Lehrerseminar“ an der roten Backsteinfassade unter dem großen Aulafenster. Als im Jahr 1908 das Lehrerseminar bezogen wurde, blieben darin recht viele Räume frei, so dass auch Studierende aus Klaipėda dort wohnen mussten. Sogar die Seminarlehrkräfte und ihre Familien zogen in das Wohnheim ein, dabei mussten sowohl Studierende als auch Lehrkräfte die gleichen gemeinsamen Sanitäreinrichtungen nutzen.

Für viele Menschen spielte das Gebäude des Lehrerseminars eine große Rolle. Einige besuchten hier die Aufbauschule, andere wurden als Verwundete oder Kranke während des Ersten Weltkrieges hier behandelt, als die Räume zu einem Lazarett umgestaltet waren. Vor allem war jedoch dieses Gebäude für viele Lehrerinnen und Lehrer ihre geistige Heimat, wo sie sich das Wissen für ihr Berufsleben aneigneten. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden in den Seminarräumen verschiedene Ämter, eine Bauschule und das Litauische Gymnasium untergebracht. Das erste litauische Gymnasium in Klaipėda (Memel) arbeitete hier in den Jahren 1922-1934. Im Jahr 1934 beherbergte das Gebäude auch das Deutsche Pädagogische Institut des Memelgebiets und ab 1935 das Litauische Pädagogische Institut. Nach dem Zweiten Weltkrieg zogen in die Gebäude verschiedene Bildungseinrichtungen ein und 1991 wurde der Komplex der neu gegründeten Universität Klaipėda übergeben.

Im Deutschen Lehrerseminar lernten Mikas Šlaža, Erich Karschies, Bruno Le Coutre, Jonas Užpurvis, Rudolf Naujoks, Ewald Swars… In diesem Gebäude arbeitete Pranas Mašiotas fünf Jahre lang als Direktor des Litauischen Gymnasiums, das 1922-1933 hier untergebracht war. Georges Matoré, berühmter französischer Schriftsteller und Sprachforscher, gab 1938-1939 hier im Litauischen Pädagogischen Institut den Französischunterricht. Nach der sowjetischen Okkupation Litauens 1940 schafften es viele Franzosen das Land zu verlassen, doch Matoré wurde in Kaunas inhaftiert, wo er acht Monate verbrachte. Während des Zweiten Weltkrieges wurde Matoré befreit und 1943 ging er zusammen mit seiner litauischen Frau Aldona nach Paris.

Im Jahr 2019 wurde an diesem Gebäude eine Gedenktafel für Adolfas Ramanauskas-Vanagas angebracht; er war einer der wichtigsten Kommandeure der Partisanenbewegung in der Nachkriegszeit.

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